25 Februar 2006

Gefunden in einer NG: Schlaf, Deutschland, schlaf...

Berlin, Freitag Nacht, eine Hinterhauswohnung, Martin-Luther-Straße.
Hamid genießt die scheuen Blicke. Die Bewunderung der sechs anderen, die
jetzt schon seit einer Stunde an seinen Lippen kleben, den Erzählungen
lauschen. Erzählungen von seiner Reise, seiner Mission. Seinem Krieg.
Und der ist heilig. Hamid ist zurückgekommen, für ein paar Tage ist er
jetzt hier in Berlin, das ihm "mal Heimat war", sagt er. "Gott,
war ich dumm."

Am Tag darauf wird er Al Quds gedenken, dem von Ayatollah Khomeini
geschaffenen Kampftag zur Befreiung Jerusalems. An dem Samstag wird er
mit rund tausend seiner muslimischen Brüder und Schwestern in den
Straßen Berlins demonstrieren, gegen Israel, gegen die Vereinigten
Staaten. Und dann wird er seine Mission weiterführen. "Irgendwo in den
Niederlanden." Wo genau, will er nicht sagen, nur daß es "dort
brennt, und heilige Kämpfer wie ich, die müssen am Brennpunkt sein".

Der Schläfer ist ein Reisender seines Gottes geworden. "Ihr nennt Leute
wie mich Schläfer", hatte er früher mal mit zynischem Lachen erklärt.
"Wenn Leute wie wir aufwachen, dann wird eure Welt explodieren."

Rückblende: Dieselbe Wohnung vor einem halben Jahr, vor Hamids Reise
nach Teheran und in den Irak. Er hat einen weiten Weg hierher
zurückgelegt, der ehemalige Student der Technischen Universität. Kiffer,
Säufer, Stricher. Aber dann ist irgend etwas geschehen, hat ihn irgend
etwas auf den rechten Weg zu seinem Gott zurückgebracht, so daß "ich
jetzt den Tod so sehr liebe, wie Du das Leben. Denn ihr habt uns, der
Gemeinschaft der Muslime, den Krieg erklärt". Die Fahrt in den Nahen
Osten war sein zweiter Trip mit einem klaren Ziel: "Wer Amerikaner töten
will, der muß in den Irak gehen."


"Und jetzt: Hast Du welche getötet?" Hamid schweigt recht lange.
"Ich habe gekämpft", sagt er dann. Die fünf Brüder, die um ihn herumsitzen,
strahlen ihn versonnen an. Junge Burschen zwischen siebzehn und 24 Jahre
alt. Zwei Türken, ein Tunesier, ein Jordanier, einer aus Algerien.
Keiner stammt aus den üblichen sozialdepressiven Biotopen gescheiterter
Integrationsmodelle, die so gern als Erklärung dafür herhalten müssen,
wenn junge Muslime aus dem Global Village direkt in den heiligen Krieg
ihres Gottes wegkippen. Alle fünf sprechen sehr gut Deutsch, alle haben
ihre Ausbildung erfolgreich hinter sich gebracht oder studieren. Und
alle träumen sie von einem Krieg, der ihnen heilig ist.


"Wir waren hier in diesem Land längst angekommen", sagt Hassan, 22
Jahre alt, Student, "aber jetzt seid ihr der Feind."

Was ist geschehen? Seine Erklärungen wirken routiniert, einem Mantra
gleich. Tschetschenien, Palästina, der Afghanistan-Krieg, Irak, er zählt
die Gründe auf. "Was hat das mit Dir zu tun, wieso treibt Dich, was dort
geschieht, hier in einen heiligen Krieg?" Er lächelt verächtlich.
"Ich bin Muslim, ich leide daran, was dort geschieht. Auch wenn ich Deutscher
bin. Aber das können Leute wie ihr nie verstehen. Ihr habt keinen Gott.
Ihr seid nichts." Wie er das sagt, spricht ruhiger, fast besonnener Haß
aus ihm.

Im Hintergrund läuft seit Stunden ein Fernseher. Al Dschasira spielt in
endlosen Wiederholungen die immergleichen Bilder von der Beerdigung
Jassir Arafats ab. Sie haben zugeschaut, und dann hat Hamid gesagt, "daß
unser nächstes Ziel der Judenstaat sein muß". Die fünf, die da Jüngern
gleich zu seinen Füßen sitzen, nicken eifrig mit dem Kopf, als Hamid nun
ein altes, zerfleddertes Flugblatt schwenkt, eines von Hisb Al Tahir.
Dem islamistischen Ableger der Muslimbruderschaft, die Otto Schily
längst verboten hat.

Die Hisb Al Tahir gibt es dennoch weiter, ist Sammelbecken für
Sympathisanten aus dem islamischen Mittelstandsmilieu. "Die Juden",
steht auf dem Flugblatt geschrieben, "sind giftiger Dolch im Herzen der
islamischen Nation". Den gilt es herauszureißen mit Stumpf und Stiel,
meint Hamid und deswegen hat es ihn nun für ein paar Tage nach Berlin
zurückgetrieben. Den Al-Quds-Tag mit zu organisieren. Zusammen mit
Hamas, der Hisbollah, der Muslimbruderschaft. Al Qaida Sympathisanten
und freien Mudschaheddin. "Was wir hier jedes Jahr sehen", klagt ein
Berliner Staatsschützer, "kann irgendwann der Super-GAU sein.
Sunnitische Islamisten und schiitische Islamisten arbeiten trotz aller
Gegensätze zusammen. Wenn sich das auswächst, dann Gnade uns Gott."

Warnungen, wie die des nordrhein-westfälischen LKA-Direktors Wolfgang
Gatzke, beschreiben die Gefahr. "Deutschland", so Gatzke im Frühjahr,
"ist keineswegs nur Rückzugsraum islamistischer Terroristen, sondern
Teil eines europäischen Gefahrenraums." Und irgendwann Ziel von
Anschlägen.

Ob in der Neuköllner Al-Nur-Moschee, wo der Vorbeter Imam Salem Al
Rafei, glaubt man Berliner Verfassungsschützern, schon mal den 11.
September 2001 als "heilige Mission" bejubelt haben soll oder in der
Mevlana Moschee, in der reisende Imame zum Haß gegen den Westen
aufrufen: In Berlin hat sich eine bestens organisierte Infrastruktur aus
islamistischen Gruppen herausgebildet. Der Gottesstaat ist längst
angekommen. Und bestens präpariert.

Saudische Gelder, wie die der Al-Haramein-Stiftung, sollen, so Berliner
Verfassungsschützer, beispielsweise die Al-Nur-Moschee mit zwei
Millionen Euro alimentiert haben. Die wird hauptsächlich von
arabischstämmigen Muslimen frequentiert. In ihrem Umfeld sollen
Terroranschläge durchdacht und geplant worden sein. So jedenfalls die
Erkenntnisse der Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage gegen den Tunesier
Ihsan Garnaoui, der in Afghanistan zum Sprengstoffexperten ausgebildet
worden sein soll. "Durch die Tötung oder Verletzung einer Vielzahl von
Menschen sollte die westliche Welt gedemütigt und hierdurch die
muslimische Welt und ihre Wertvorstellungen verteidigt werden", schreibt
die Bundesanwaltschaft in der Anklage.

Allen Kriegen gegen den Terror zum Trotz finanziert eine
Saudi-Connection bis zum heutigen Tag den globalen islamistischen
Terror. Durchaus mit staatlicher Unterstützung aus Riad. Der Minister
für religiöse Angelegenheiten ist die treibende Kraft hinter der
Al-Haramein-Stiftung. Deren Gelder, wie die Petrodollars anderer
wahhabitscher Stiftungen, fließen in Moscheen und islamistische
Kulturvereine. In Neu-Ulm wie in Aachen. In Düsseldorf, Essen, Bochum.
In Hamburg und München.


Welt am Sonntag

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Oft vereinigt ein Gemüte Dämlichkeit mit Herzensgüte. (Wilhelm Busch)
Treffende Charakterisierung der deutschen Gutmenschen. (-bs-)


"Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das
deutsche. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden, die Deutschen glauben sie. Um eine Latrinen-Parole, die man ihnen gab, verfolgen sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde." -- Napoleon